Ramsauer macht Reifenherstellern Wintergeschenk
Bisher sind die Vorschriften zu Pkw-Winterreifen recht vage formuliert - viele Autofahrer verzichten deshalb auf eis- und schneetaugliche Pneus. Verkehrsminister Ramsauer will deshalb eine generelle Pflicht einführen. Noch vor Beginn der kalten Jahreszeit soll die Regelung in Kraft treten.
Jedes Jahr im Herbst trommeln Michelin, Continental und andere Reifenhersteller. "Die Faustregel lautet: Winterreifen zwischen O und O, also zwischen Oktober und Ostern", heißt es etwa auf der Webpage von Conti. Ohne Winterreifen, so suggerieren die Firmen, fahre man nicht sicher. Und außerdem, insinuieren sie, verletzte man die Straßenverkehrsordnung (StVO).
Viele Autofahrer sehen das anders - und nicht ganz zu Unrecht. Zum einen gibt es erhebliche Zweifel daran, ob Winterreifen wirklich, wie von der Industrie behauptet, ab Temperaturen unter sieben Grad besser haften. Zum anderen schreibt die StVO keineswegs bestimmte Pneus vor. In Paragraf zwei heißt es lediglich unbestimmt: "Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen."
Dieser Passus lässt Autobesitzern sehr viel Spielraum - zu viel, findet Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Noch vor Beginn des Winterwetters will er deshalb eine neue Regelung zur Winterreifenpflicht einführen. "Wir müssen schnell handeln", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Wischiwaschi-Paragraf könnte verfassungswidrig sein
Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung würden überarbeitet. Es werde übergangsweise eine "konkrete Winterreifen-Pflicht" darin verankert.
In Paragraf zwei der StVO wird bisher zwar eine "geeignete Bereifung" gefordert - das Wort Winterreifen wird jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Das wird sich nun wohl ändern.
Konkrete Details hat der Minister noch nicht durchsickern lassen, obwohl es schon spät im Jahr ist und damit die Zeit für die Autofahrer knapp wird, sich auf eine neue Rechtslage einzustellen. Fest steht nur: Weil es sich um eine Verordnung handelt, muss die Änderung nicht durchs Parlament.
Grund für die plötzliche Eile ist offenbar ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom Sommer 2010. Die Richter hatten moniert, die Vorschriften in der Straßenverkehrsordnung zur Bereifung in den Wintermonaten seien zu vage formuliert. Da es selbst unter Verkehrsexperten umstritten sei, wann Winterreifen zwingend erforderlich sind, lasse sich aus dem Passus kaum ableiten, wann eine Ordnungswidrigkeit vorliege.
Gute Laune bei den Reifenherstellern
Damit werde gegen das sogenannte Bestimmtheitsgebot für Gesetze verstoßen. Oder flapsiger formuliert: Bei der Gesetzesänderung von 2006 wurde geschlampt, deshalb ist das Gesetz nicht eindeutig. Ist ein Gesetz zu unbestimmt, könnte es sogar verfassungswidrig sein - denn das Grundgesetz verpflichtet den Staat zur hinreichend genauen Formulierung seiner Gesetzestexte im Straf- oder Ordnungswidrigkeitsrecht.
Die nationale Regelung soll gelten, bis eine europäische Regelung mit einheitlichen Kriterien für Winterbereifung in Kraft trete, sagte Ramsauer. "Wer im Winter bei Schnee und Matsch mit ungeeigneten Reifen fährt, gefährdet sich und andere."
Autofahrer, die sich bisher mit Sommerreifen oder mit sogenannten Ganzjahres-Pneus durchgemogelt haben, müssen sich also auf Zusatzkosten gefasst machen. Freude macht Ramsauers Ukas hingegen den Reifenherstellern. Für sie wäre die allgemeine Winterreifenpflicht ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.
Quelle: www.spiegel.de
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,721523,00.html